Seebrücke:Schleswig-Holstein

Die Seebrücken Schleswig-Holstein sind die landesweite Vernetzung aller Seebrücken in Schleswig-Holstein. Wir treffen uns regelmäßig, um die Politik in Schleswig-Holstein aktiv mitzugestalten und zu verändern.

Die Seebrücken Schleswig-Holstein bestehen aus Lokalgruppen in den Städten Flensburg, Kiel, Lübeck, Neumünster, Wyk auf Föhr und aus Lokalgruppen in den Landkreisen Nordfriesland, Pinneberg und Schleswig-Flensburg. Falls du Teil einer dieser Gruppen werden willst oder eine weitere Lokalgruppe in Schleswig-Holstein gründen willst, melde dich sehr gerne bei uns: schleswig-holstein@seebruecke.org

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Positionspapier:Gegen die Verschärfungen des Gemeinsamen Europäischen Asyslsystems

Sehr geehrter Oberbürgermeister Ulf Kämpfer,

wir wenden uns an Sie, weil Sie mit dem Beschluss vom 21. September 2023 in der Kieler Ratsversammlung beauftragt werden, „mit den anderen (schleswig-holsteinischen) Städten im Bündnis ‚Sichere Häfen‘ eine gemeinsame Stellungnahme zur Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) bei der Bundesregierung abzugeben, die deutlich macht, dass im Sinne des Bündnisses dringender Überarbeitungsbedarf des Kompromisses besteht“. Aus diesem Grund richtet sich unser Positionspapier auch an alle Bürgermeister*innen der Sicheren Häfen in Schleswig-Holstein sowie das Bündnis Städte Sicherer Häfen. Nachfolgend wollen wir verdeutlichen, welche wichtigen Punkte in dieser Stellungnahme aufgeführt werden müssen.

Wir erwarten eine Stellungnahme, aus der deutlich hervorgeht, dass der „Überarbeitungsbedarf des Kompromisses“ aus der Ablehnung menschenfeindlicher Maßnahmen hervorgeht und auf eine solidarische und rechtskonforme Migrations- und Asylpolitik zielt. Aus diesem Anlass fordern wir, dass in der Stellungnahme die verpflichtenden Grenzverfahren an den EU-Außengrenzen, die Absenkung der Anforderungen an „sichere“ Drittstaaten, die Weiterführung des Dublin-Systems und die Krisenverordnung als Teile der GEAS-Verschärfung ersatzlos abgelehnt werden.

In den verpflichtenden Grenzverfahren soll das Anrecht auf Asyl bereits an den Außengrenzen geprüft werden. Dabei können Menschen, die unter anderem vor Krieg, Verfolgung und Hunger fliehen, während des Verfahrens ohne Straftatbestand inhaftiert werden. Auch Kinder sind von einer solchen Inhaftierung nicht ausgenommen. Diese geplante Selektion an den Außengrenzen bricht mit dem individuellen Recht auf Asyl. In solchen Verfahren wird es unmöglich werden, einen angemessenen Schutzraum zu schaffen, in dem potenziell traumatische Fluchtgründe vorgetragen werden können und angemessene juristische Beratung zur Verfügung steht. Es können demnach keine fairen Verfahren erwartet werden.

Wir fordern daher, dass in Ihrer Stellungnahme klar hervorgeht, dass es diese Grenzverfahren nicht geben darf.

Schon jetzt können Schutzsuchende, die über einen sogenannten „sicheren“ Drittstaat kommen, unabhängig von den individuellen Fluchtgründen abgelehnt und abgeschoben werden. Mit der GEAS-Verschärfung sollen die Kriterien an „sichere“ Drittstaaten noch weiter gesenkt werden; sogenannte „sichere“ Teilgebiete sollen künftig ausreichen, um Menschen in das Land abzuschieben. Das Konzept der sogenannten „sicheren“ Drittstaaten und der „sicheren“ Herkunftsländer ist grundsätzlich zu hinterfragen. Im Sinne der sicheren Häfen sollte jedoch zumindest mit Ihrer Stellungnahme darauf hingewirkt werden, dass die Kriterien für die Einstufung von Ländern als „sicher“ hoch- anstatt herabgesetzt werden.

In der sogenannten GEAS-„Reform“ soll das Dublin-System beibehalten und sogar verschärft werden. Dabei soll die Frist für eine innereuropäische Rücküberstellung an den als zuständig konstruierten Mitgliedsstaat von sechs auf zwölf Monate verdoppelt werden. Das Dublin-System, welches die Verantwortung auf die Länder an den europäischen Außengrenzen verlagert, hat in der Vergangenheit zu einer massiven Überforderung der EU-Außenstaaten und infolgedessen zu drastischen Menschenrechtsverletzungen geführt. Ein System, das schon in der Vergangenheit nicht funktioniert hat, beizubehalten und zu verschärfen, ist in keiner Weise zielführend. Auch der geplante „Solidaritätsmechanismus“ wird weder die Länder an den Außengrenzen noch aufnehmende Kommunen entlasten. Staaten, die keine geflüchteten Menschen aufnehmen wollen, können sich von dieser Verantwortung mit einem Ablass freikaufen, der die Kosten für eine Aufnahme erheblich unterschreitet. Dieses Geld soll in einen noch gewaltvolleren Grenzschutz investiert werden.

Wir fordern, dass sich in Ihrer Stellungnahme für eine solidarische Aufnahme und Verteilung von geflüchteten Menschen stark gemacht wird, bei der die Rechte von geflüchteten Menschen und der Freedom of Choice (Geflüchtete können dort bleiben, wo sie soziale Bezüge haben oder aus anderen Gründen bleiben wollen) im Vordergrund stehen.

Die geplante Krisenverordnung soll es erlauben, dass EU-Staaten zahlreiche Mindeststandards in Extremsituationen herabsetzen können, also ausgerechnet dann, wenn die Not von geflüchteten Menschen am größten ist. So soll es unter anderem möglich gemacht werden, dass mehr Geflüchtete über längere Zeiträume an den EU-Außengrenzen inhaftiert werden können und die Standards der Unterbringungen stark gesenkt werden. Pro Asyl ordnet ein: „Schon seit Jahren versuchen Mitgliedstaaten sich mit vermeintlichen Ausnahmezuständen an den Außengrenzen aus ihren menschenrechtlichen Verpflichtungen zu ziehen und genau dafür steht auch die Krisenverordnung“. Diese Verordnung ist mit grundlegenden Menschen- und Geflüchtetenrechten ebenso unvereinbar wie mit den Forderungen des Bündnis Städte Sichere Häfen. Aus diesem Grund muss die Krisenverordnung vollends in Ihrer Stellungnahme abgelehnt werden.

Kiel hat sich bereits im November 2018 als Sicherer Hafen erklärt und ist außerdem Teil des Bündnis Städte Sicherer Häfen. Ein Sicherer Hafen steht gegen die Kriminalisierung von Flucht, fliehenden und geflüchteten Menschen und gegen die europäische Abschottungspolitik. Auf der Website der Seebrücke heißt es „Sichere Häfen müssen ihre politischen Möglichkeiten nutzen, um tatsächliche Veränderungen in der Migrations- und Aufnahmepolitik zu erreichen“. Die anstehenden Veränderungen, die aus der Verschärfung des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems resultieren werden, widersprechen sowohl grundlegenden Menschenrechten als auch den Forderungen der Sicheren Häfen.

Wir fordern, dass aus Ihrer Stellungnahme zur GEAS-Verschärfung genau dies hervorgeht: Es muss deutlich werden, dass der „dringende Überarbeitungsbedarf des Kompromisses“ -wie es im Beschluss heißt- darin besteht, den Status quo der europäischen Migrationspolitik ebenso wie die geplanten Verschärfungen durch menschenrechtskonforme und solidarische Abkommen zu ersetzen.

Das Dublin-System und der sogenannte „Solidaritätsmechanismus“ müssen weichen für europäische Verantwortungsübernahme, echte solidarische Aufnahme und ernsthafte Unterstützung der Kommunen. Anstatt Fluchtbewegungen müssen Fluchtgründe und -ursachen bekämpft und sichere und legale Einreisemöglichkeiten geschaffen werden. Asylverfahren müssen individuell und unter dem Zugang zu Rechtsschutzmöglichkeiten durchgeführt werden. Die Grenzverfahren als Vorverfahren sind abzulehnen.

Unterzeichnende Organisationen:

Abschiebehaftberatung Nord
Afghanischer Stammtisch Kiel
Amnesty International Kiel
Besuchsgruppe für Menschen in Abschiebehaft Glückstadt
Bündnis Eine Welt Schleswig-Holstein e.V.
DGB-Jugend Schleswig-Holstein
Don’t forget Afghanistan
Embipoc - Empowerment of BIPoC
Feministische Aktion Flensburg
Fridays for Future Kiel
Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein e.V.
GEW Kreisverband Kiel 
Greenpeace Kiel
Hochschulgruppe Bündnis zivile Seenotrettung der Uni Kiel
Hochschulgruppe Amnesty International Uni Kiel
Junges Feministisches Bündnis
Kein Abschiebegefängnis in Glückstadt und Anderswo
Kiel Stop GEAS
Kindercafè Kiel e.V
Kulturbüro des Kultur- und Kommunikationszentrums Hansastraße 48 e.V.
kulturgrenzenlos e. V.
lifeline Vormundschaftsverein im Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein e.V.
Lübecker Flüchtlingsforum e.V. 
Medibüro Kiel e.V. 
Nara - Netzwerk antirassistische Aktion
Paritätischer Schleswig-Holstein
Refugee Law Clinic Kiel e.V.
Runder Tisch gegen Rassismus und Faschismus Kiel
SABS Integrationstraining
Sea Eye Kiel
Seebrücken Schleswig-Holstein
Seebrücke Flensburg
Seebrücke Kiel
Seebrücke Kreis Pinneberg
Seebrücke Kreis Schleswig-Flensburg
Seebrücke Lübeck
Seebrücke Neumünster
Seebrücke Nordfriesland
Sinti Union Schleswig-Holstein e.V.
Sisters - Frauen für Afrika e.V.
SOS Humanity Freiwilligengruppe Kiel
TKKG Kiel - Turbo Klima Kampf Gruppe
ZBBS - Zentrale Bildungs- und Beratungsstelle für Migrant*innen e.V.
ZEIK - Zentrum für Empowerment und Interkulturelle Kreativität
Zhina Ye Iran

Dafür setzen wir uns ein!

  • Für sichere Fluchtwege

  • Für die Entkriminalisierung aller Flüchtenden

  • Für die Entkriminalisierung aller Seenotretter*innen!

  • Für ein sicheres Ankommen und Bleiben in Schleswig-Holstein für Menschen auf der Flucht.

  • Für Landesaufnahmeprogramme in Schleswig-Holstein für besonders schutzbedürftige Menschen auf der Flucht

  • Für ein Europa ohne Abschottungspolitik

  • Für die Anerkennung jeglicher Fluchtgründe

  • Für ein Ende der Abschiebehaft in Glückstadt und überall

  • Für Familiennachzug und -zusammenführung

  • Für ein selbstbestimmtes Leben von schutzsuchenden Menschen

  • Für eine Gesellschaft, die alles dafür tut, strukturellen Rassismus zu erkennen, Betroffenen zuzuhören und daraus zu lernen.

Unsere aktuelle politische Arbeit in Schleswig-Holstein

Sichere Häfen in Schleswig-Holstein

Zahlreiche Kommunen in Schleswig-Holstein haben sich seit 2018 zu Sicheren Häfen erklärt. Ein Sicherer Hafen ist ein Ort der Aufnahme und des Ankommens für Schutzsuchende, insbesondere für jene, die unter katastrophalen Bedingungen an Europas Grenzen festsitzen. Außerdem sollte ein Sicherer Hafen Sicherheit für alle Menschen schaffen, die ganz konkret hier vor Ort leben. Sichere Häfen vermitteln eine andere Lösung für Verteilungsfragen, schaffen Handlungsmöglichkeiten und aktivieren Kommunen und Städte, sich in die Bundes- und EU-Politik einzumischen – gegen die derzeitige europäische Abschottungspolitik und für eine Willkommens- sowie Solidaritätspolitik. Damit hat das Konzept eine enorme politische Bedeutung. 

Wir arbeiten daran, dass sich neben zahlreichen Kommunen auch das Land Schleswig-Holstein als ganzes explizit zum Sicheren Hafen erklärt und dadurch zum Einen die Sicheren Häfen Kommunen unterstützt, zum anderen aber auch aktiv Sicherheit für viele Menschen bietet. In Schleswig-Holstein soll Menschen ein sicheres Ankommen sowie ein Sicheres Bleiben ermöglicht werden.

Landesaufnahmeprogramme

Landesaufnahmeprogramme sind zentral, um sichere Fluchtwege für alle Menschen zu schaffen. 2018 wurde in Schleswig-Holstein ein Landesaufnahmeprogramm beschlossen, über das 500 Geflüchtete aus verschiedenen Ländern, die zunächst in Ägypten oder in Äthiopien angekommen sind, aufgenommen werden sollten. Als infrage kommend gelten vom UNHCR als vulnerabel eingestufte Menschen – vor allem Frauen und Kinder mit Gewalterfahrungen. Dabei ist das Aufnahmeverfahren langwierig und umständlich: Es erfolgt zunächst eine Auswahl vom UNHCR, dann fahren Beamt*innen der Landesverwaltung von Schleswig-Holstein nach Ägypten und führen Interviews. Nach einem Entscheidungsgremium in Schleswig-Holstein findet noch ein Visumsverfahren statt. Nachdem das Programm 2018 beschlossen wurde, sollten eigentlich jedes Jahr 125 Menschen darüber aufgenommen werden. Es sind aber weit weniger Menschen gekommen, da es an politischer Motivation zur schnellen Umsetzung gemangelt hat. Ähnlich sieht es bei dem Aufnahmeprogramm in Schleswig-Holstein für Menschen aus Afghanistan aus, das 2021 beschlossen wurde. Auch da wurden bisher nur sehr wenige Menschen aufgenommen.

Wir setzen uns auf Landesebene dafür ein, dass schnelle und unbürokratische Landesaufnahmeprogramme ins Leben gerufen werden, damit Menschen in Schleswig-Holstein ankommen können. Aufnahmeprogramme müssen so geschaffen werden, dass Menschen dauerhafte Bleibeperspektiven ermöglicht werden.

Familienzusammenführungen

Familien gehören zusammen! Doch bereits für anerkannte, biologische Familien sind die bürokratischen Hürden zu hoch und die Verfahren zu langsam, wenn es um Familienzusammenführungen geht. Selbstgewählte Familien in queeren Kontexten werden oftmals gar nicht erst als solche anerkannt und die Möglichkeit der Familienzusammenführung wird ihnen verwehrt.

Wir fordern, dass das Konzept der Kernfamilie erweitert wird und als Familiennachzug die Menschen nachgeholt werden können, die eine Person als ihre Familie begreift.

Abschiebegefängnis

Im Jahr 2021 wurde das Abschiebegefängnis in Glückstadt, welches von der Koalition aus CDU, Grünen und FDP beschlossen wurde, eröffnet. Dessen Betrieb liegt in der Verantwortung Schleswig-Holsteins, aber auch Mecklenburg-Vorpommern und Hamburg nutzen dort jeweils 20 der 60 Plätze. Bereits das Motto „Wohnen minus Freiheit“ demonstriert wortwörtlich: Abschiebehaft bedeutet Freiheitsentzug! Und das für Menschen, die keine Straftat begangen haben. Durch dieses Instrument erleiden Erwachsene sowie Kinder (Re-)Traumatisierungen. Auch Kinder können in dieses Gefängnis bis zu 21 Monate eingesperrt werden. Abschiebehaft ist für alle Menschen grausam.

Zusammen mit dem Bündnis „Kein Abschiebegefängnis in Glückstadt und Anderswo!“ setzen wir uns dafür ein, dass das Abschiebegefängnis unverzüglich wieder geschlossen wird!

Struktureller Rassismus

Abschiebepraktiken, Freiheitsentzug für unschuldige Menschen sowie die Bringschuld an Schutzsuchende manifestieren die rassistischen Strukturen unserer Gesellschaft. Aber ebenso in Bildungsangeboten, Stadtteilplanung und zwischenmenschlicher Interaktion äußert sich immer wieder der internalisierte Rassismus der Dominanzgesellschaft, dem von politischer Seite bisher kaum entgegengewirkt wird. 

Wir sind mit dieser Situation nicht zufrieden und wollen und werden uns auch nicht damit zufrieden geben!

Wir stehen für ein Schleswig-Holstein, das zukünftig alle Möglichkeiten ausschöpft, um menschenrechtsorientierte, schützende und fördernde Lebensbedingungen sowie ein gleichberechtigtes Zusammenleben für alle Menschen zu schaffen - unabhängig von Pass und Aufenthaltstitel.

Um den politischen Diskurs dahingehend zu prägen, haben wir als breites zivilgesellschaftliches Bündnis gemeinsam mit anderen Organisationen Forderungen an die zukünftige Landesregierung aufgestellt. Diese werden auf dieser Seite in den nächsten Tagen veröffentlicht.

Kontakt

Material

  • Plakat zur Landtagswahl

    Unser Plakat zur Landtagswahl kannst du dir hier herunterladen und nach belieben ausdrucken!

    PDF, 7384.88kb