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Plenum: digital wöchentl. / Präsenz 14-tägig | abwechselnd Mo/Di. Bei Interesse meldet Euch gerne per E-Mail.
Du hast Interesse an der Seebrücken-Arbeit? Du verfolgst das Geschehen im Mittelmeer und fragst dich, was du persönlich tun kannst? Oder du möchtest einfach mal hören und schauen, was so der Stand der Dinge ist, wer bei uns dabei ist und an was wir aktuell arbeiten und planen? Dann meld dich bei uns und schließe dich der Bewegung an! 🙂
"Places of Isolation" - Installationen:Wegweiser
Mit den orangenen Wegweisern werden Orte der rassistischen Abschottungspolitik der EU markiert und die damit verbundenen Menschenrechtsverletzungen im Alltag sichtbar gemacht. Es geht dabei um Orte, die sowohl symbolisch als auch ganz konkret für die Abschottung Europas stehen.
Der erste von zehn Wegweisern in Frankfurt/Main wurde im Rahmen des Campus- Sommerfest am 24.06.2023 feierlich vor dem Café KoZ, Campus Bockenheim aufgestellt.
Weitere Wegweiser stehen beim Café Brücke in Sachsenhausen, beim Café Ypsilon in Bornheim sowie am Kirchplatz Bockenheim.
In Bezug auf den CommemorAction Day 2024 wurden auch einige Pfeile in den großen Parkanlagen Frankfurts angebracht- inklusive dem anlässlich des Gedenktags geschriebenem Pfeil Richtung "Grenze Marokko- Ceuta".
Ort des institutionellen Rassismus
Diese Behörde ist Ausdruck von institutionellem Rassismus und exemplarisch für die Fremd-Machung (Othering) eines Teils der Bevölkerung:
Schon der Name der Behörde verdeutlicht die Spaltung der in Deutschland lebenden Menschen in solche, die die deutsche Staatsbürger:innenschaft besitzen, und jene ohne deutschen Pass.
In der Ausländer:innenbehörde sind Menschen, die ihren Aufenthaltstitel, ein Visum oder ihre Duldung verlängern lassen müssen - egal wie lange sie bereits in Deutschland leben - der Willkür und Macht des Staates bzw. dem Ermessenspielraum der zuständigen Sachbearbeitenden ausgeliefert.
Hier wird über existenzielle Lebensumstände von Menschen entschieden, wie Arbeiten gehen, Praktika oder Ausbildungen absolvieren oder auch die Stadt für einen Urlaub oder einen Wohnsitzwechsel verlassen zu dürfen - Dinge, die für Menschen mit deutschem Pass Selbstverständlichkeiten sind! Menschen ohne deutschen Pass hingegen werden mit Regelungen wie Wohnsitzauflagen, Residenzpflicht und Arbeitsverboten bevormundet oder mit alltagsuntauglichen „Fiktionsbescheinigungen“ hingehalten und somit an der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben und einer frei gewählten Lebensgestaltung gehindert.
Auch Abschiebungen, die für Menschen immer ein gewaltsamer Akt sind, werden in der Ausländer:innenbehörde entschieden und in die Wege geleitet (siehe Wegweiser Flughafen Frankfurt + Wegweiser Abschiebegefängnis Darmstadt-Eberstadt).
Als sei diese strukturelle Ungerechtigkeit und Entmündigung nicht genug, sind Menschen bei ihren Besuchen in der Ausländer:innenbehörde häufig auch noch Diskriminierung und der Reproduktion von Stereotypen und Rassismen durch die Behördenmitarbeiter:innen ausgesetzt.
Die Machtausübung und der Druck auf die Menschen, die in dieser Behörde vorstellig werden müssen, erzeugen Angst. Hinzukommen belastende bürokratische Hürden durch die Unterbesetzung der Behörde wie Nichtbeantwortungen von Mails und Anrufen sowie lange Wartezeiten. Im November 2022 stauten sich beispielsweise in der Frankfurter Ausländer:innenbehörde 15.000 unbearbeitete Anfragen. Dies mag zunächst nur nach bürokratischer Überlastung klingen, hat aber für die betroffenen Menschen zum Teil existentielle Folgen: Unbearbeitete Anfragen und Anträge bedeuten, dass die Betroffenen ihr Aufenthaltsrecht nicht nachweisen können. Keine Aufenthaltsgenehmigung wiederum bedeutet, keinen Job annehmen oder ausüben zu dürfen und keine Wohnung mieten zu können - eine Verkettung existenzieller Notlagen. Pro Asyl dokumentierte einen Fall, in dem ein 16-jähriger Jugendlicher aus Afghanistan monatelang nicht zur Schule gehen konnte, weil er bei der zuständigen Ausländer:innenbehörde auch 8 Monate nach Ankunft in Deutschland keinen Termin bekommen habe.
Shahram Iranbomy von der Kommnalen Ausländer:innenvertretung (KAV) Frankfurt brachte es folgendermaßen auf den Punkt: „Die Behörde ist ein Ort des Schreckens, der Erniedrigung und Diskriminierung. Es ist eine Schande für Frankfurt.“ Iranbomy forderte die Beendigung der Gewalt, Verbesserung der Kommunikation sowie eine Umbenennung in "Einwanderungsbehörde". Dem schließen wir uns an:
Die rassistische Diskriminierung und strukturelle Ausgrenzung und Benachteiligung muss beendet werden!
Ein Perspektivwechsel zu einer willkomenheißenden Einwanderungsbehörde wäre ein erster wichtiger Schritt hin zu einer offenen und gerechteren Gesellschaft!
Quellen und weitere Infos:
https://diversity-arts-culture.berlin/woerterbuch/othering (Zugriff am 9.7.2023)
https://www.fr.de/frankfurt/des-schreckens-frankfurt-auslaenderbehoerde-ist-ort-92031501.html (Zugriff am 9.7.2023)
https://www.nzz.ch/international/neue-dienstaufsichtsbeschwerden-und-steigender-aerger-ueber-das-auslaenderamt-frankfurt-doch-der-magistrat-will-nur-loecher-stopfen-statt-dauerhafte-loesungen-ld.1716453 (Zugriff am 27.6.2023)
https://www.hessenschau.de/politik/viele-auslaenderbehoerden-in-hessen-stehen-unter-druck-v1,auslaenderbehoerden-102.html (Zugriff am 27.6.2023)
https://www.nzz.ch/international/neue-dienstaufsichtsbeschwerden-und-steigender-aerger-ueber-das-auslaenderamt-frankfurt-doch-der-magistrat-will-nur-loecher-stopfen-statt-dauerhafte-loesungen-ld.1716453 (Zugriff am 09.07.2023)
https://www.hessenschau.de/politik/viele-auslaenderbehoerden-in-hessen-stehen-unter-druck-v1,auslaenderbehoerden-102.html (Zugriff am 09.07.2023)
Gewaltsame Abschiebeflüge in Kriegs- und Krisengebiete
Der Flughafen Frankfurt am Main ist ein zentraler Ort in der Ausführung der EU-Abschottungspolitik.
Im Jahr 2021 wurden aus Deutschland 11.982 Menschen abgeschoben, die meisten von ihnen (3371 Menschen) vom Flughafen Frankfurt am Main.
Als Abschiebung bezeichnet man eine staatliche Zwangsmaßnahme, nachdem ein Asylantrag abgelehnt wurde und die Person dadurch "ausreisepflichtig" geworden ist. Abschiebungen finden als Einzel- oder Sammelabschiebungen in Charter- oder Linienflügen statt und werden von der Bundespolizei durchgeführt und begleitet.
Die Abschiebungsbeobachtung am Flughafen Frankfurt dokumentiert in ihrem Bericht Familientrennungen, Anwendung körperlicher Gewalt, fehlende Medikamente, Kindeswohlgefährdung, mangelnde Übersetzung und viele weitere Missstände während den Abschiebungen am Frankfurter Flughafen.
Abschiebungen stellen eine physiche und psychische Belastung für die Betroffenen, insbesondere Kinder und Jugendliche, dar und führen häufig zu Re-Traumatisierungen. Für die beteiligten Fluggesellschaften hingegen sind Abschiebeflüge ein lukratives Geschäft, so auch für die deutsche Lufthansa. 5.885 Menschen wurden 2019 in ihre Flugzeuge gezwungen.
Bereits vor über 20 Jahren prangerte die Kampagne Deportation Class von "kein mensch ist illegal" die Mitschuld und Beteiligung der Lufthansa an der menschenverachtenden Abschiebepraxis an und rief Passagier:innen und Bordpersonal zum Eingreifen auf. Immer wieder gab und gibt es couragierte Pilot:innen und Fluggäste, die diese Praxis nicht hinnahmen. Fluggäste, die sich weigerten, sich im Flugzeug auf ihren Platz zu setzen, wenn sie mitbekamen, dass Menschen mit ihrer Maschine abgeschoben werden sollen. Und Pilot:innen, die die Mitnahme von Menschen, die gegen ihren Willen fliegen sollen, verweigerten.
Als Reaktion auf Proteste gegen die beteiligten Fluggesellschaften stufte die Bundesregierung es in 2020 als Verschlusssache ein, welche Fluggesellschaften Abschiebungen durchführen, damit sie nicht weiter öffentlicher Kritik ausgesetzt seien. Und mittlerweile wird ein großer Teil der Abschiebungen per Charterflug statt mit Linienflügen durchgeführt und damit faktisch unter Ausschluss der Öffentlichkeit.
Dies wird die Proteste gegen die unmenschliche Abschiebepolitik aber nicht zum Verstummen bringen!
Stop Deportation!
Kein Mensch ist illegal- Bleiberecht überall!
Quellen und weitere Infos:
https://taz.de/Abschiebungsfluege-durch-Lufthansa/!5781728/ (Zugriff 21.6.2023)
https://taz.de/Umstrittene-Abschiebepolitik/!5865691/ (Zugriff 21.6.2023)
https://www.nd-aktuell.de/artikel/1165437.asylpolitik-airlines-verdienen-an-abschiebungen.html
https://www.diakonie-frankfurt-offenbach.de/wp-content/uploads/2022/11/Taetigkeitsbericht-2021.pdf
BT-Drucks. 20/890, S. 10. https://dserver.bundestag.de/btd/20/008/2000890.pdf
http://www.noborder.org/archive/www.deportation-class.com/lh/
Isolation und Kriminalisierung Geflüchteter
Menschen, die über keinen gültigen Aufenthaltstitel in Deutschland verfügen oder deren Asylantrag abgelehnt wurde und die damit "ausreisepflichtig" sind, können abgeschoben werden, wenn sie nicht innerhalb einer bestimmten Frist selbst ausreisen. Für den Vollzug dieser Abschiebungen sind die Bundesländer zuständig. In Hessen werden sie von den Zentralen Ausländerbehörden, die bei den drei Regierungspräsidien in Darmstadt, Gießen und Kassel angesiedelt sind, organisiert.
Abschiebungen sind für die Betroffenen mit großer Angst und Verzweiflung verbunden, nicht nur für die betroffenen Menschen, sondern auch für deren Umfeld können Abschiebungen extrem belastend sein. Nicht selten finden sie auch unter Anwendung von physischer Gewalt statt - bis dahin, dass Menschen bei ihrer gewaltsamen Abschiebung ums Leben kamen, wie Kola Bankole und Amir Ageeb, die dadurch eine traurige Berühmtheit erlangt haben. Von Abschiebung bedrohte Menschen müssen in ständiger Angst leben, festgenommen zu werden. Die Festnahme geschieht häufig auf der Ausländerbehörde, wenn die Betroffenen ihre Duldung verlängern möchten, aber auch zu Hause oder bei einer Kontrolle. Sie werden dann entweder direkt zum Flughafen gebracht oder in einem Abschiebegefängnis inhaftiert.
Im Abschiebegefängnis werden nicht - wie häufig fälschlicherweise angenommen - Menschen festgehalten, die eine Straftat begangen haben. Ihr einziger „Regelverstoß“ ist vielmehr, dass sie keinen Aufenthaltsstatus haben, der sie zum Leben in Deutschland berechtigt. Abschiebungshaft stellt eine freiheitsentziehende Maßnahme und einen schweren Eingriff in die Grundrechte dar. In Abschiebehaft können Menschen genommen werden, die „vollziehbar ausreisepflichtig“ sind und die sich ihrer Abschiebung möglicherweise entziehen wollen. Laut Gesetz reicht hierfür bereits der "begründete Verdacht" aus! In einem Gespräch mit Pro Asyl berichtete der Rechtsanwalt Peter Fahlbusch, dass er zwischen 2001 und 2019 über 1.700 Menschen in Abschiebungshaft vertreten habe, von denen etwa 50% zu Unrecht in Haft gewesen seien - manche davon monatelang! Zum Teil werden Menschen inhaftiert, die nicht ausreisepflichtig sind, teilweise besteht kein Haftgrund oder die Menschen sind aufgrund ihrer gesundheitlichen Situation nicht haftfähig.
Das Abschiebegefängnis Darmstadt-Eberstadt wurde 2018 eröffnet, hat mittlerweile Platz für bis zu 80 Personen. Laut hessischer Landesregierung folgt das Abschiebegefängnis Darmstadt-Eberstadt dem "Grundsatz 'Normales Leben minus Freiheit'“*, die hessische Polizei nennt als "einzige[n] Zweck der Abschiebehaft" die "sichere Ausreise".
Was soll das aber sein, ein "normales Leben minus Freiheit" und eine "sichere Ausreise"? Nicht nur, dass davon zu sprechen mehr als zynisch ist, wenn sich das "normale Leben" im "Tragen der eigenen Bekleidung", einem Internetzugang mit der "Möglichkeit, das eigene Smartphone zu nutzen" und "größere(r) Bewegungsfreiheit innerhalb der Einrichtung", aber innerhalb von Zäunen, Gittern, zwischen Stacheldraht und Kameras, erschöpft. Hinter jeder Abschiebung steckt ein Mensch mit einer eigenen Geschichte. Ein Mensch, der durch die Abschiebepolitik systematisch entwürdigt und entrechtet wird. Und was heißt hier "normales Leben minus Freiheit" und "sichere Ausreise", wenn Menschen nach zum Teil jahrelanger Duldung plötzlich inhaftiert werden, wenn Angst, Traurigkeit, Verzweiflung, Einsamkeit und Wut mitunter so groß werden, dass manche sogar lieber versuchen, sich das Leben zu nehmen, als die Haft und die Abschiebung in ein Land durchzustehen, wo ihnen Gewalt, Verfolgung, Haft, Folter, Hunger oder Tod drohen?
Da helfen auch keine noch so gut gemeinten Vorschläge zur Verbesserung der Haftbedingungen. Ein menschenverachtendes Konzept wie das von Abschottung, Abschiebung und Abschiebehaft ist nicht zu tolerieren. Ein Konzept, in dem Menschen gefangen gehalten werden, als wäre es ein Verbrechen, ein Leben in Sicherheit leben zu wollen.
Da hilft nur eins:
Abschiebeknäste dichtmachen! Keine Abschiebungen von niemandem nirgendwohin! Für ein Recht zu kommen und zu bleiben! Denn kein Mensch ist illegal.
weitere Infos:
Informationen zu aktuellen Fällen von Inhaftierungen, zu Hilfen für Personen in Abschiebehaft aber auch zu Protesten gegen das Abschiebegefängnis Darmstadt-Eberstadt finden sich auf der Seite von Community for all in Darmstadt: https://communityforall.noblogs.org/
Quellen
* Zitat aus: Hessische Abschiebungshafteinrichtung Darmstadt-Eberstadt. Antwort der Landesregierung auf eine Große Anfrage. Hessischer Landtag, Drs. 20/1218 vom 16. September 2019, S. 1, Vorbemerkung Landesregierung.
https://taz.de/Tod-bei-Abschiebung/!5598683/ (Zugriff am 14.6.2023)
https://de.wikipedia.org/wiki/Abschiebungshafteinrichtung_Darmstadt (Zugriff 6.6.2023)
Hessische Abschiebungshafteinrichtung Darmstadt-Eberstadt. Antwort der Landesregierung auf eine Große Anfrage. Hessischer Landtag, Drs. 20/1218 vom 16. September 2019.
https://www.proasyl.de/hintergrund/rechtswidrige-abschiebungshaft-es-geht-um-uns-darum-wie-wir-unsere-verfassung-leben/ (Zugriff am 16.6.2023)
https://www.polizei.hessen.de/icc/internetzentral/broker.jsp?uCon=a5960b74-1a5a-6771-82b6-9654a24c2aa9&uTem=bff71055-bb1d-50f1-2860-72700266cb59&uMen=3f52053d-08ec-8f11-1106-7912109241c2 (Zugriff am 16.6.2023)
Systematische Ausgrenzung und Grundrechtseingriffe
Lager für Geflüchtete existieren nicht nur tausende Kilometer entfernt in Griechenland oder Nordafrika. Auch in Hessen sind viele Geflüchtete in Lagern untergebracht. Die Erstaufnahmeeinrichtung des Landes ist in Gießen.
Sie entstand bereits 1946 und hat eine lange Geschichte. Die Abteilung VII des Regierungspräsidiums ist seit November 2016 hessenweit für die Organisation und Steuerung der Erstaufnahme von geflüchteten Menschen zuständig.
Das Erstaufnahmelager in Gießen hat weitere Standorte, unter anderem in Friedberg, Darmstadt und am Flughafen Frankfurt. Sie sind nur als vorläufige Unterbringung gedacht. Von dort werden die Menschen in die Kommunen und Kreise verteilt. Eine Sonderstellung hat hier der Standort am Frankfurter Flughafen, der im Transitbereich untergebracht ist und in dem das sog. Flughafenverfahren durchgeführt wird: die Ankommenden gelten als "nicht eingereist" und dürfen die Einrichtung nicht verlassen, sind also faktisch inhaftiert. In einem zweitägigen Schnellverfahren wird über den Asylantrag entschieden und damit darüber, ob die Menschen als asylberechtigt gelten und einreisen dürfen oder direkt abgeschoben bzw. in ihr Herkunftsland zurückgeschickt werden. Deutschland hält an diesem System fest, ungeachtet der Klagen und Kritik vonseiten zahlreicher Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty Deutschland, kirchlicher und karitativer Menschenschrechtsorganisationen.
2015 war die Gießener Erstaufnahmeeinrichtung die größte Flüchtlingsunterkunft in Deutschland, sie hat mittlerweile eine Kapazität von insgesamt 8.629 Plätzen und hat somit die Dimension einer Kleinstadt, ohne aber die entsprechende Infrastruktur! Ursprünglich waren Erstaufnahmeeinrichtungen nur für den Übergang gedacht,für maximal drei Monate. 2019 wurde die Maximaldauer gesetzlich auf 18 Monate ausgeweitet, ausgenommen sind davon minderjährige Asylsuchende, deren Eltern bzw. Erziehungsberechtige und Geschwister.
Bis zu 18 Monate Lagerleben!, das bedeutet 18 Monate intensive Eingriffe in das Recht auf Selbstbestimmung, auf die Unverletzlichkeit der Wohnung und Beschränkungen der allgemeinen Handlungsfreiheit hinnehmen zu müssen, abgeschnitten zu sein von der Teilhabe am allgemeinen gesellschaftlichen Leben. Daran ändern auch die Angebote im Lager nichts, wie eine basale medizinisch-ärztliche Versorgung, Verpflegung, Unterbringung, Beratung, Betreuungsangebote für Kinder oder Sprachkurse, die es laut der Selbstdarstellung der Einrichtung gibt. Letztere als "erste integrative Maßnahme" zu bezeichnen, ist der blanke Hohn in einer Einrichtung, die auf Abschottung ihrer Bewohner:innen angelegt ist.
Erstaufnahmeeinrichtungen sind Teil eines politischen Konzepts, das auf Ausgrenzung statt Integration sowie auf Grundrechtseingriffen basiert und sich privater Sicherheitsdienstleister bedient, um gegen die Geflüchteten durchgesetzt zu werden.
Die unwürdigen Bedingungen haben sich während der Corona-Pandemie noch einmal mehr verschärft. Eine junge Iranierin erzählte beispielsweise, dass sie sich wie in einem Gefängnis fühlte, weil sie während der Pandemie 18 Monate in der Sammelunterkunft in Gießen verbringen musste. Wochenlang habe aufgrund von Quarantänemaßnahmen niemand das Gelände verlassen dürfen, es habe auch keinen Zugang zu Sprachkursen gegeben. Unter den beengten Wohnverhältnissen und unhygienischen Zuständen in der Sammelunterkunft hätten besonders die Frauen gelitten. Sie habe in dieser Zeit Ängste sowie Depressionen entwickelt und hätte psychologischer Hilfe bedurft, der Zugang zu Ärzt:innen sei jedoch eingeschränkt gewesen.
Nicht nur die Bedingungen in der Unterkunft sind prekär. Gemeinschaftsunterkünfte für Asylbewerber:innen wurden und werden auch immer wieder Ziel für gewalttätige Angriffe. 2022 gab es 121 Überfälle, Anschläge, Sachbeschädigungen und tätliche Angriffe, was im Vergleich zum Vorjahr ein Plus von 73 Prozent bedeutet. Meist waren diese Taten rechts motiviert. Auch außerhalb von Sammelunterkünften werden Asylbewerber:innen und Geflüchte Ziel tätlicher Angriffe, so wurden für das Jahr 2022 1.248 Angriffe verzeichnet. Dies bedeutet, dass jeden Tag in Deutschland drei Asylbewerber:innen Opfer von Angriffen werden! Und auch diese Taten sind meist rechts motiviert. Welche psychischen Folgen solche gewaltvollen Erfahrungen für Menschen haben, die ohnehin durch ihre Flucht und ihre Vorgeschichte traumatisiert sind, vermag man sich gar nicht auszumalen.
Da hilft nur eins:
Lager abschaffen! Dezentrale Unterbringung und ein selbstbestimmtes und würdiges Wohnen für alle!
Sicherheit und Schutz für alle Geflüchteten!
Quellen und weitere Infos:
https://rp-giessen.hessen.de/integration-und-asylrecht/erstaufnahmeeinrichtung-des-landes-hessen (Zugriff 17.06.2023)
https://www.fr.de/rhein-main/hessen-2778-freie-plaetze-in-erstaufnahmeeinrichtungen-92159215.html (Zugriff am 2.7.2023)
https://www.caritas-frankfurt.de/beitraege/das-flughafenverfahren/861877/?searchterm=Flughafenverfahren (Zugriff 17.06.2023)
https://www.bpb.de/themen/deutschlandarchiv/vanlaak20130331/?p=all (Zugriff 17.06.2023)
https://www.giessener-allgemeine.de/giessen/geht-nicht-gibts-nicht-13928151.html (Zugriff 18.06.2023)
https://www.hessenschau.de/gesellschaft/hessen-baut-kapazitaeten-aus-gefluechtete-muessen-immer-laenger-in-der-erstaufnahme-bleiben,erstaufnahmeeinrichtung-giessen-leichtbauhallen-100.html (Zugriff 18.06.2023)
https://www.hessenschau.de/gesellschaft/chaos-in-hessens-erstaufnahmeeinrichtung-die-menschen-schlafen-hier-auf-stuehlen,erstaufnahmeeinrichtung-giessen-kritik-ukraine-100.html (Zugriff 18.06.2023)
https://www.tagesschau.de/inland/anschlaege-fluechtlingsunterkuenfte-anstieg-101.html (Zugriff 18.06.2023)
Wissings neue Schiffssicherheitsverordnung als Angriff auf zivile Seenotrettung
Schon Verkehrsminister Scheuer (CSU) versuchte in der letzten Legislaturperiode, mit Änderungen der Sicherheitsvorgaben für zivile Rettungsschiffe die Arbeit ehrenamtlicher Seenotretter:innen zu erschweren. Sein Nachfolger Wissing (FDP) nimmt diese politische Linie auf und plant eine Neuerung der Schiffssicherheitsverordnung, die sehr hohe Auflagen und ein Schiffssicherheitszeugnis auch für kleine Schiffe, nicht mehr nur für Schiffe der kommerziellen Schifffahrt, vorschreiben würde. Diese neue Verordnung macht die zivile Seenotrettung für die Mehrheit der Seenotrettungsschiffe unter deutscher Flagge de facto unmöglich. Das widerspricht eindeutig dem Koalitionsvertrag, in dem es heißt, dass die zivile Seenotrettung nicht behindert werden darf.
Die geplanten Änderungen sind zur Erhöhung der Sicherheit weder geeignet noch erforderlich, sondern müssen verstanden werden als rein politisch motivierter Baustein in einer immer menschenverachtenderen Abschottungspolitik. Nach Angaben von SeaWatch gab es seit Beginn der Einsätze ziviler Schiffe im Mittelmeer im Juli 2015 keinen einzigen Unfall, bei dem ein Crewmitglied oder eine bereits gerettete Person an Bord wegen Sicherheitsmängeln in Gefahr geriet.
Die geplanten Rechtsänderungen in Deutschland stehen vielmehr im Zusammenhang mit besorgniserregenden Entwicklungen auch auf europäischer Ebene: So werden von der neofaschistischen italienischen Regierung immer neue Verordnungen erlassen, die die Arbeit der Seenotretter:innen erschweren, und gerade auch eine recht strenge EU-weite Harmonisierung der Schiffsicherheit vorangetrieben. Was dies für die zivile Seenotrettung bedeuten wird, bleibt abzuwarten.
Die geplante Neuerung der Schiffssicherheitsverordnung ist nicht nur ein Angriff auf die zivile Seenotrettung, sondern auch ein Angriff auf die universellen Menschenrechte. Damit wird der Tod von schutzsuchenden Menschen bewusst in Kauf genommen. Denn letztlich sind es maßgeblich zivile Organisationen, die sich in Ermangelung sicherer und legaler Fluchtwege und staatlich koordinierter Rettungsprogramme, die diesen Namen auch verdient hätten, dem politisch kalkulierten Sterbenlassen an den Außengrenzen der EU entgegenstemmen (s. Wegweiser Grenze Polen-Belarus und Mittelmeer). Dass das Verkehrsministerium nun ausgerechnet mit dem Argument der "Sicherheit von Geflüchteten" die Seenotrettung faktisch unterbinden möchte, ist an Zynismus kaum zu überbieten. Die Pläne des Verkehrsministeriums müssen daher sofort gestoppt werden! Die Bundesregierung muss sich zur zivilen Seenotrettung bekennen, aber auch endlich selbst aktiv werden gegen das alltägliche Sterben an den europäischen Außengrenzen!
Als Seebrücke Frankfurt starten wir am 20.6.2023 die Kampagne Schiff ahoi-Frankfurt hat Platz!
Mit dieser Kampagne fordern wir von der Stadt Frankfurt am Main, ihrem Bekenntnis als "Sicherer Hafen" nun auch Taten folgen zu lassen:
Sich gemeinsam mit anderen Städten aus dem Bündnis der Sicheren Häfen gegen die Abschottungspolitik der Bundesregierung zu positionieren
Als Zeichen der Solidarität mit der zivilen Seenotrettung - und angesichts des immer schärferen Gegenwindes vonseiten der Bundes- und EU-Politik erst recht! - die Patenschaft für ein Schiff der zivilen Seenotrettung zu übernehmen
Beistand bei der juristischen Abwehr der Einschüchterungsversuche und Blockaden der italienischen Regierung
Und sich für die Aufnahme und Verantwortungsübernahme für die mit diesem Schiff Geretteten bereit zu erklären
Weitere Informationen zur Kampagne finden sich auf https://seebruecke-frankfurt.de/
Quellen und weitere Infos:
Gemeinsames Pressestatement der betroffenen Organisationen Mare*Go, MISSION LIFELINE, r42-sailtraining, RESQSHIP e.V., SARAH Seenotrettung, Sea-Eye und Sea-Watch vom 28.02.2023 siehe: https://resqship.org/schiffssicherheitsverordnung-bundesregierung/ (Zugriff am 30.5.2023) oder:
https://sea-watch.org/bundesregierung-plant-behinderung-ziviler-seenotrettung/ (Zugriff am 16.6.2023)
https://www.tagesschau.de/investigativ/monitor/seenotrettung-bundesverkehrsministerium-sicherheitsvorschriften-101.html, (Zugriff am 16.6.2023)
https://www.migazin.de/2020/06/09/zynismus-scheuer-verhindert-auslaufen-rettungsschiffen-mittelmeer-schutz-personen/ (Zugriff am 30.5.2023)
https://www.migazin.de/2020/10/05/klatsche-scheuer-verwaltungsgericht-festsetzung-seenotrettern/ (Zugriff am 30.5.2023)
Tödlichste Grenze der Welt
Das Mittelmeer ist die tödlichste Grenze der Welt. Jedes Jahr kommen über 1000 Menschen bei ihrem Versuch über das Mittelmeer zu fliehen ums Leben oder werden vermisst. Die Dunkelziffer ist hoch und die tatsächliche Zahl der Todesopfer dürfte deutlich darüber liegen. In den Jahren 2014 bis März 2023 sind mehr als 26.141 Geflüchtete im Mittelmeer ertrunken. Allein 2022 verschwanden oder verstarben nach Schätzungen des UNHCR über 1940 Menschen bei ihrem Versuch, das Mittelmeer zu überqueren auf ihrer Suche nach Frieden, Sicherheit, Schutz und Lebensperspektiven für sich und ihre Familien.
Da es faktisch keine legalen Zugangs- und Fluchtwege nach Europa gibt, sehen sich die Menschen in ihrer Not gezwungen, die gefährliche Überfahrt in oft seeuntüchtigen Booten anzutreten.
Obwohl es eine völkerrechtliche Verpflichtung zur Rettung in Seenot geratener Menschen gibt, findet seit 2019 keine staatliche Seenotrettung seitens der EU mehr statt. Stattdessen konzentriert sich die EU auf die Aufrüstung der Grenzschutzagentur FRONTEX, die u.a. mit ihrer Beteiligung an illegalen Pushbacks, dem Zurückdrängen von Geflüchteten, die es bereits in küstennahe Gewässer oder sogar an die Küste geschafft haben, immer wieder negative Schlagzeilen macht. (s. Wegweiser FRONTEX)
Im zentralen Mittelmeer ist es gängige Praxis, dass Boote mit Migrant:innen und Geflüchteten an die „libysche Küstenwache“ gemeldet werden, die berüchtigt ist für ihre z.T. gewaltvollen Aktionen gegen Geflüchtete auf See, die deren Boote attackiert, in illegaler Weise zurückdrängt und die Menschen nach Libyen zurückbringt, wo sie in den dortigen Lagern inhaftiert und Elend, Folter, Versklavung, physischer und sexualisierter Gewalt ausgesetzt sind. Dies widerspricht Art. 33 der Genfer Fluchtkonvention, der die Zurückweisung von Geflüchteten in Gebiete untersagt, wo deren Leben und Freiheit bedroht ist.
In der Ägäis finden regelmäßig systematische Pushbacks von Schutzsuchenden statt.
Die griechische Küstenwache zerstört unter den Augen von FRONTEX die Motoren von Flüchtlingsbooten, treibt die Boote in türkische Gewässer zurück oder setzt die Menschen auf aufblasbaren, manövrierunfähigen Rettungsinseln in der Ägäis aus. Selbst Geflüchtete, die bereits griechischen Boden erreicht haben, müssen befürchten zurückgeschoben zu werden.
Gibt es doch immer wieder eine große Welle der Betroffenheit, wenn die Öffentlichkeit von großen Bootsunglücken mit vielen Ertrunkenen erfährt, bleiben die in diesen Zusammenhängen geäußerten Betroffenheitsbekundungen europäischer wie auch deutscher Politiker:innen meist reine Lippenbekenntnisse. Europa schottet sich immer weiter ab, Menschenrechte werden tausendfach mit Füßen getreten.
Um dem Sterben auf dem Mittelmeer nicht tatenlos zuzusehen und sich auch politisch für eine Rückbesinnung der staatlichen Institutionen auf die Verpflichtung zur Seenotrettung und für die Schaffung legaler Fluchtwege einzusetzen, haben sich in den letzten Jahren zahlreiche zivilgesellschaftliche Organisationen gegründet. So steht Alarmphone-Watch the Med seit Oktober 2014 rund um die Uhr mit einer Telefon-Hotline in Seenot geratenen _Flucht_booten zur Seite, vermittelt und koordiniert Rettungseinsätze, begleitet die vom Ertrinken bedrohten Menschen in den bangen Stunden, bis die Rettungsschiffe eintreffen, spendet Trost und Zuspruch, dokumentiert gelingende Rettungen - aber auch die schrecklichen Momente, wenn der Telefonkontakt zu den Menschen in den Booten abreißt.
Seit dem Ende des staatlichen Seenotrettungsprogramms Mare Nostrum engagieren sich zahlreiche Nicht-Regierungsorganisationen wie Sea Watch oder Mission Life Line im Mittelmeer und rüsten Rettungsschiffe aus. Doch ihre Arbeit wird zunehmend erschwert, kriminalisiert und von Schikanemaßnahmen wie dem Festsetzen von Schiffen mit fadenscheinigen Begründungen sabotiert. Italien weist den Schiffen mit Geretteten an Bord gezielt erst nach tagelangem Ausharren auf hoher See einen besonders weit entfernten Hafen zu, um sie möglichst lange von weiteren Rettungseinsätzen abzuhalten. In Griechenland, Italien und Malta stehen immer wieder Seenotretter:innen, aber besonders oft Geflüchtete selbst vor Gericht - sie werden als Schleuser:innen angeklagt, weil sie ein Fluchtboot gesteuert oder sich und ihre Mitinsass:innen vor dem Ertrinken bewahrt haben. Ihnen drohen oft jahrzehntelange Haftstrafen. Und aktuell plant das deutsche Bundesverkehrsministerium eine Verschärfung der Schiffssicherheitsverordnung, die - tritt sie so in Kraft - die zivile Seenotrettung unter deutscher Flagge im Mittelmeer massiv einschränken wird.
(s. Wegweiser Bundesverkehrsministerium)
Um das Sterben auf dem Mittelmeer endlich zu beenden, braucht es legale und sichere Fluchtwege!
Quellen und weitere Infos
https://www.uno-fluechtlingshilfe.de/hilfe-weltweit/mittelmeer (Zugriff: 31.5.2023)
https://www.bpb.de/kurz-knapp/hintergrund-aktuell/313491/flucht-und-migration-ueber-das-mittelmeer-was-tut-die-eu/ (Zugriff: 31.5.2023)
https://www.tagesschau.de/ausland/europa/italien-seenotretter-iuventa-prozess-101.html (Zugriff 14.6.2023)
https://www.tagesschau.de/ausland/europa/griechenland-prozess-mardini-101.html (Zugriff 14.6.2023)
https://elhiblu3.info/solidarity (Zugriff 14.6.2023)
https://freethesamostwo.com/de/ueber/ (Zugriff 14.6.2023)
https://sea-watch.org/bundesregierung-plant-behinderung-ziviler-seenotrettung/ (Zugriff 14.6.2023)
https://sea-watch.org/shooting/ (Zugriff 14.6.2023)
https://krautreporter.de/3886-die-todlichste-grenze-der-welt-verstandlich-erklart (Zugriff 14.6.2023)
Bundeszentrale für politische Bildung, https://www.bpb.de/kurz-knapp/hintergrund-aktuell/313491/flucht-und-migration-ueber-das-mittelmeer-was-tut-die-eu/ (Zugriff 14.6.2023)
EU-"Grenzschutz"-Agentur, die Menschen an den Außengrenzen mit Gewalt zurückdrängt
Frontex als "Europäische Agentur für die Grenz- und Küstenwache" wurde 2004 mit dem Auftrag gegründet, die europäischen Außengrenzen um den Schengen-Raum zu kontrollieren. Seit 2015 wurde das Mandat der Agentur erweitert; Frontex wurde außerdem als Reaktion auf die Migrationsbewegungen 2015/16 mit sehr hohen finanziellen Ressourcen ausgestattet. Neben anderen Tätigkeiten sendet Frontex Personal und Material an EU-Mitgliedstaaten, die um Unterstützung für ihren Grenzschutz bitten. Während 2015 noch 336 Menschen angestellt waren, sind es 2023 nach Angaben von Frontex mehr als 1500. Bis 2027 soll der Personalbestand der Agentur auf bis zu 10.000 Mitarbeiter:innen in Reserve ausgebaut werden. 2022 hatte Frontex 754 Mio. Euro zur Verfügung und ist damit die finanziell am besten ausgestattete EU-Agentur.
Schon seit vielen Jahren weisen Medien und NGOs darauf hin, dass Frontex bei den Einsätzen an den EU-Außengrenzen die Menschenrechte nicht einhält. In Griechenland waren Frontex-Mitarbeiter:innen beteiligt und anwesend bei illegalen Pushbacks, als Boote aus griechischen Gewässern zurück in türkische Hoheitsgewässer getrieben wurden. In Bulgarien tolerierte Frontex die Praxis, Geflüchtete in „Black Sites“ festzuhalten, bevor sie illegal wieder abgeschoben wurden. Im zentralen Mittelmeer kooperiert Frontex mit der sogenannten libyschen Küstenwache und beteiligt sich somit an Pullbacks, im Zuge derer Menschen, welche Libyen per Boot verlassen, zurück nach Libyen geholt werden, wo ihr Leben in akuter Gefahr ist und Menschenrechte völlig missachtet werden.
Die Militarisierung und Technisierung der EU-Außengrenzen wird durch Frontex vorangetrieben, gleichzeitig reißen Berichte über ein systematisches Nichteingreifen der EU-Behörde an EU-Außengrenzen zur Rettung von Menschenleben nicht ab.
Frontex´ Kontrolle der eigenen Arbeit ist intern geregelt und versagt seit vielen Jahren. Realitäten werden vertuscht und kritische Stimmen systematisch zum Schweigen gebracht.
Ungeachtet zahlreicher Dokumentationen dieser Menschenrechtsverletzungen leugnet Frontex jegliche Beteiligung und Kenntnisse dieser illegalen Praktiken.
Trotzdem musste Fabrice Leggeri im März 2022 seine Stelle als Exekutivdirektor auf öffentlichen Druck hin ablegen. Im Dezember 2022 wurde Hans Leijten sein Nachfolger. Zwar beteuert er öffentlich, nun die Kontrollfunktionen zu verbessern, war aber selbst Teil des Verwaltungsrates 2019 – 2022, in dessen Verantwortung die Beteiligung von Frontex- Mitarbeitenden an Menschenrechtsverletzungen vertuscht wurde.
Die gute Nachricht: der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte und das Gericht der Europäischen Union strengen derzeit Gerichtsprozesse gegen Frontex an. Und europaweit hat sich ein zivilgesellschaftlich getragenes Netzwerk (Abolish Frontex) gebildet, das sich für die Abschaffung der Agentur einsetzt.
Für ein Ende der rassistischen europäischen Abschottungspolitik!
Bewegungsfreiheit für alle!
Fähren statt Frontex!
Quellen und weitere Infos:
https://fragdenstaat.de/blog/2022/10/13/frontex-leak-olaf-bericht/
Süddeutsche Zeitung vom 6.2.2021, https://www.sueddeutsche.de/politik/europaeische-union-grenzschutzagentur-frontex-kritik-1.5198099
https://frontex.europa.eu/de/uber-uns/was-ist-frontex-/
EU-Grenzpolizei: See something, say something! Ein Aufruf an Frontex-Beamt:innen (fragdenstaat.de)
ECCHR: Libyen: Abfangen und Rückführung - Verbrechen gegen die Menschlichkeit
Systematic Cover-Up by EU Border Police: Revealed: The OLAF report on Frontex (fragdenstaat.de)
186 Kilometer Grenzzaun und systematische Pushbacks
Als Ende 2021 die Lage an der polnisch-belarussischen Grenze eskalierte und tausende Geflüchtete im Niemandsland dieser EU-Außengrenze festsaßen, bekam die Situation dort eine kurzzeitige mediale Aufmerksamkeit.
Das Thema ist zwar weitgehend aus den hiesigen Medien verschwunden, aber der Weg von Belarus nach Europa hat sich mittlerweile als eine Migrationsroute fest etabliert, nicht zuletzt weil vielen Menschen auf der Flucht der oft tödliche Weg über das Mittelmeer zu gefährlich ist. (s. Wegweiser Mittelmeer)
So versuchen noch immer viele schutzsuchende Menschen die Grenze zwischen Belarus und Polen zu überqueren- trotz massiver Militärpräsenz und Aufrüstung sowie der Errichtung eines Hochsicherheitszauns.
Die Menschen erfahren dabei auf beiden Seiten der Grenze brutale Gewalt und stecken oft für Wochen oder Monate in den sumpfigen Wäldern fest. Auch solidarische Menschen, die versuchen, humanitäre Hilfe zu leisten, sehen sich massiven Repressionen des polnischen Staates ausgesetzt.
Im Jahr 2021 begann Polen, an der Grenze zu Belarus einen 2,5 m hohen Zaun mit NATO Draht zu errichten. Der Bau einer 186 Kilometer langen, 5,5m hohen Stahlmauer mit Überwachungssystem und Bewegungsmeldern, die das Provisorium des Grenzzauns ersetzte, erfolgte von Januar bis Juni 2022. Grenzschützer:innen können nach polnischem Recht selbst entscheiden, ob sie den Schutzsuchenden die Chance auf das Stellen eines Asylantrags gewähren. Das Parlament Polens hat damit das Grundrecht auf Asyl massiv eingeschränkt!
In den letzten 1,5 Jahren wurden nach Angaben der polnischen Grenzbeamt*innen mehr als 50.000 Pushbacks nach Belarus durchgeführt. Menschen auf der Flucht werden Opfer von Pushbacks und brutaler Gewalt, im Winter auch bei Eiseskälte. Immer wieder werden Menschen im Grenzstreifen vermisst oder tot aufgefunden. No Borders Team veröffentlichte im Mai 2023 eine Liste mit 44 Menschen, die an der Grenze gestorben sind. Die Zahl steigt und die Dunkelziffer wird höher geschätzt.
Diejenigen Menschen, die es trotz allem schaffen, nach Polen zu gelangen, werden bis zum Abschluss des Asylverfahrens in Haft genommen, ganz egal, ob Erwachsene oder Kinder.
Im Grenzgebiet zwischen Litauen und Belarus kommt es ebenfalls zu brutalen Pushbacks. Fliehende Menschen erlitten im Winter Erfrierungen und verloren Zehen und Beine. Humanitäre Organisationen und Journalist:innen werden vom Betreten des Grenzgebiets abgehalten. Im Mai 2023 trat in Litauen ein Gesetz in Kraft, welches sogenannte Pushbacks legalisiert. Das verstößt eindeutig gegen internationales Recht, da fliehenden Menschen ihr Recht, einen Asylantrag zu stellen, verwehrt wird.
Brick by brick, wall by wall, make the Fortress Europe fall!
Smash Fortress Europe!
Wer tut etwas dagegen?
Das No Borders Team und Grupa Granica leisten humanitäre Erste Hilfe für People on the Move an der polnisch-belarussischen Grenze.
Informationen zur Situation vor Ort erhaltet Ihr über ihren Telegramkanal https://t.me/no_borders_team, die Webside https://nobordersteam.noblogs.org/ oder https://facebook.om//grupagranica/.
In Litauen leistet Sienos Grupe humanitäre Hilfe (Facebook: https://facebook.com/sienosgrupe/).
Quellen/ Zum Weiterlesen:
https://t.me/no_borders_team/243
https://t.me/no_borders_team/242
https://www.hrw.org/de/news/2021/11/24/belarus/polen-misshandlungen-und-pushbacks-der-grenze
https://de.wikipedia.org/wiki/Grenze_zwischen_Belarus_und_Polen
https://www.dw.com/de/litauen-legalisiert-pushbacks/a-65464642
https://www.zdf.de/nachrichten/politik/polen-belarus-grenze-zaun-fertig-100.html (Zugriff 21.6.2023)
Menschenunwürdige Unterbringung und Inhaftierung Geflüchteter
Geflüchtete möglichst nah an den Außengrenzen festzuhalten, ist eine wesentliche Strategie der europäischen Abschottungspolitik. Ein politischer Aspekt, der das begünstigt, sind die sogenannten Dublin-Regeln. Sie besagen, dass jener Staat, in dem Geflüchtete erstmals registriert werden, für deren weiteres Asylverfahren zuständig ist. Griechenland als einer der Staaten an den EU-Außengrenzen ist für viele Geflüchtete zuständig. Viele Geflüchtete, die über das Mittelmeer fliehen (s. Wegweiser Mittelmeer), werden in menschenunwürdigen Camps auf den ägäischen Inseln festgehalten. Durch die Verschleppung von Verfahren und eine lange Verfahrensdauer sitzen Menschen zum Teil über Jahre auf den Inseln fest. Die Lager sind darüber hinaus vielfach auf wesentlich geringere Zahlen von Menschen und auf kurze Aufenthalte ausgelegt.
Ein besonders extremes Beispiel stellt das Lager Moria auf Lesbos dar. Es war für 2.800 Menschen konzipiert worden, teilweise lebten dort aber bis zu 16.000 Menschen unter katastrophalen Zuständen. Nachdem Moria 2020 bei einem Großbrand zerstört worden war, versprach die EU „No More Morias“. Tatsächlich aber bestehen die Lagerstrukturen auf den ägäischen Inseln fort. Die Lebensumstände dort sind charakterisiert durch unzureichende Nahrungsversorgung, sehr schlechte medizinische Betreuung und katastrophale hygienische Zustände.
Die menschenunwürdigen Zustände in den Lagern sind gewollt und ein bewusstes Element der europäischen Abschottungs- und Abschreckungspolitik. Es handelt sich nicht um eine „humanitäre Katastrophe“, sondern um die Folgen gewollter politischer Entscheidungen.
Eine besorgniserregende Entwicklung ist auch, dass es sich bei neu gebauten Camp-Strukturen (etwa auf der Insel Samos) um Hochsicherheitslager mit gefängnisartigen Zuständen handelt.Obwohl es inzwischen sogar Gerichtsurteile gibt, die bestätigen, dass die Bedingungen in den Lagern gegen Menschenrechte verstoßen, sollen diese Strukturen weiter ausgebaut werden.
Die Reform des "Gemeinsamen Europäischen Asylsystems" (GEAS), die am 8.6.2023 von den Innenminister:innen der EU und damit auch von der deutschen Innenministerin Nancy Faeser beschlossen wurde, wird die Zustände weiter verschärfen. Demnach sollen Asylverfahren in Zentren an den europäischen Außengrenzen stattfinden. Dies wird zu systematischen Inhaftierungen in Lagern führen, von denen auch Kinder betroffen sein werden - obwohl die Bundesregierung im Vorfeld beteuert hatte, dies nicht mittragen zu wollen. Faire und rechtsstaatlich abgesicherte Asylprozesse sind so keinesfalls gewährleistet: Die Inhaftierung von häufig noch von der Flucht traumatisierten Menschen bedeutet für diese eine weitere große Belastung und wirkt wie eine Bestrafung dafür, um Asyl gebeten zu haben, unabhängige Unterstützung und Rechtsbeistand ist auch jetzt schon oft nur sehr eingeschränkt zugänglich. Zu rechnen ist also mit vielen unrechtmäßigen Ablehnungen der Asylanträge. Bei Ablehnung sind ein bis zu 12 wöchiges Abschiebegrenzverfahren vorgesehen mit der Möglichkeit, dass Abschiebehaft angeordnet werden kann. Dies kann dazu führen, dass Menschen bis zu 2 Jahren an den Grenzen inhaftiert werden!
Die Reform zu feiern als "historischen Erfolg" (N. Faeser, ebenfalls zitiert nach Pro Asyl) ist der blanke Hohn: Die europäische Abschottung treibt immer monströsere und menschenverachtendere Blüten. Das Prinzip des Dublin-Systems als ein Kernproblem dieser unmenschlichen Politik ist erhalten geblieben, die Verteilung und Aufnahme der Geflüchteten innerhalb der EU ist weiterhin nicht geregelt - Staaten, die nicht aufnehmen wollen, können sich mit 20.000 Euro pro nicht aufgenommener Person "freikaufen".
Das ist nicht das Europa, in dem wir leben wollen!
Für offene Grenzen, für das Recht, zu kommen und zu bleiben!
Refugees welcome!
Quellen und weitere Infos:
https://daserste.ndr.de/panorama/archiv/2021/Fluechtlinge-auf-Lesbos-Die-gewollte-Not,lesbos130.html
https://www.proasyl.de/thema/fluechtlinge-in-griechenland/
https://www.sueddeutsche.de/politik/moria-brand-asylpolitik-1.502579
https://aktion.proasyl.de/menschenrechte-verschwinden/?utm_source=websiteheader (Zugriff am 28.6.2023)
https://www.proasyl.de/news/ausverkauf-der-menschenrechte-deutschland-stimmt-fuer-aushebelung-des-fluechtlingsschutzes/ (Zugriff am 28.6.2023)
Tödliche Schüsse auf schwimmende Geflüchtete
Vor 10 Jahren, am 6.Februar 2014, versuchten ca. 400 Menschen, überwiegend People on the Move aus der Subsahararegion, die Grenze zwischen Marokko und der spanischen Exklave Ceuta zu überwinden. Eine Gruppe von ca. 200 Menschen versuchte dabei, die ins Meer gebaute Befestigung am marokkanischen Strand von Tarajal zu umschwimmen, um so nach Ceuta und damit auf spanisches Territorium zu gelangen. Dabei wurden sie von der spanischen Guardia Civil und den marokkanischen Grenzschutz mit Gummigeschossen und Tränengas beschossen. 15 Menschen starben.
Und dieses Massaker ist kein Einzelfall. So kamen bereits im Oktober 2005 mehr als 16 Menschen zu Tode, als sie mit vielen Hundert Anderen versuchten, über die Grenzanlagen nach Ceuta und Melilla, die zweite an Marokko angrenzende spanische Exklave, zu kommen. Einige starben durch Schussverletzungen, viele weitere wurden verletzt. Als Antwort darauf wurde vonseiten der spanischen Regierung die Grenze weiter befestigt und der Zaun erhöht.
Seit Jahren wird wieder und wieder dokumentiert, mit welcher Brutalität die spanischen Grenzschützer:innen an den Grenzen zwischen Marokko und den spanischen Exklaven Ceuta und Melilla gegen Geflüchtete vorgehen, Menschenrechte missachten, illegale Pushbacks durchführen und sogar Todesopfer in Kauf nehmen. Der Einsatz von Schusswaffen und Gummigeschossen aus nächster Distanz, die schwere Verletzungen verursachen können, gehören nahezu schon zur Tagesordnung. Doch selbst wer es über diese festungsartig ausgebaute Grenze schafft, kann nicht sicher sein, dass internationales Recht eingehalten wird. Menschenrechtsorganisationen stoßen seit Jahren auf taube Ohren mit ihren gut dokumentierten Anklagen, dass es an diesen Grenzen immer wieder zu sogenannten "heißen Abschiebungen" kommt, die nach internationalem Recht nicht erlaubt sind: Menschen werden von der spanischen Seite durch Tore im Zaun an die marokkanischen Grenzbehörden übergeben, oder werden, wenn sie bei ihrem Versuch, die Grenzanlage zu umschwimmen, aufgegriffen werden, von Booten der spanischen Sicherheitskräfte im Wasser zurück nach Marokko gezogen. Immer wieder agieren dabei auch marokkanische Sicherheitskräfte auf spanischem Territorium. Umgekehrt werden Geflüchtete zum Spielball, zum Druckmittel bei Wirtschaftsverhandlungen oder bei politischen Uneinigkeiten zwischen Marokko und Spanien, etwa in 2017 oder in 2021, als Marokko die Grenzkontrollen aussetzte und mehrere tausend Menschen nach Ceuta schwimmen ließ wohl in Reaktion auf die von Spanien erlaubte medizinische Behandlung des Chefs der Unabhängigkeitsbewegung für Westsahara.
Die einzige Festlandgrenze der EU mit Afrika verläuft in den spanischen Exklaven Ceuta und Melilla, die seit 1993 zu einer immer martialischeren Festung ausgebaut wird: seit 2005 besteht die Grenzanlage aus zwei parallel laufenden Zäunen, die seit 2019 von 6 auf stellenweise 10 Meter aufgestockt wurden, mit Stahlkämmen, Bewegungsmeldern, Kameras und Scheinwerfern bewehrt sind und von marokkanischer Seite her zusätzlich durch Gräben und Stacheldrahtzäune abgesichert werden.
Aber zieht man die Zäune noch so hoch: immer wieder schaffen es Menschen auf der Suche nach einem Leben in Sicherheit, Würde und Freiheit, selbst diese Grenzfestungen zu überwinden, wie zum Beispiel im Juli 2021. Und sie werden es weiter versuchen, solange die einzige Antwort der EU auf Migration und Flucht eine immer stärkere Abschottung ist, statt endlich sichere Migrations- und Fluchtwege zu schaffen und dem Sterben an den EU-Außengrenzen ein Ende zu machen.
Brick by brick, wall by wall – make the fortress Europe fall!
Für das Recht zu gehen, zu kommen und zu bleiben.
Quellen und weitere Infos:
https://www.proasyl.de/news/ceuta-mindestens-14-fluechtlinge-bei-brutalem-polizei-einsatz-getoetet/ [zuletzt aufgerufen am 1.2.2024]
https://www.proasyl.de/news/ceuta-und-melilla-gedenken-an-todesopfer-der-fluechtlingsabwehr/ [zuletzt aufgerufen am 1.2.2024]
https://www.bpb.de/themen/migration-integration/laenderprofile/329241/wo-die-zaeune-immer-hoeher-werden-die-europaeische-aussengrenze-in-melilla/ [zuletzt aufgerufen am 1.2.2024]
https://www.proasyl.de/news/voelkerrechtswidrige-pushbacks-in-melilla-strafanzeige-gegen-spanien/ [zuletzt aufgerufen am 2.2.2024]
https://www.proasyl.de/pressemitteilung/fuenf-jahre-nach-dem-fluechtlingsdrama-von-ceuta-und-melilla/ [zuletzt aufgerufen am 2.2.2024]
https://www.proasyl.de/news/schwere-menschenrechtsverletzungen-an-fluechtlingen-an-der-grenze-zu-melilla/ [zuletzt aufgerufen am 2.2.2024]
https://www.proasyl.de/news/debatte-um-brutalen-einsatz-der-guardia-civil-in-ceuta/ [zuletzt aufgerufen am 2.2.2024]
https://de.wikipedia.org/wiki/Grenzzaun_bei_Ceuta [zuletzt aufgerufen am 2.2.2024]
https://www.swp.de/panorama/ceuta-melilla-marokko-spanien-spanische-exklave-grenze-marschpat-fnideq-migranten-56911180.html [zuletzt aufgerufen am 2.2.2024]