05.01.2024 · Pressemitteilung:Recherche offenbart: Evakuierungen aus Afghanistan waren Versagen mit Ankündigung
Eine neue Recherche der „Zeit“ vom 03.01.2024 zeigt, dass die Warnungen vor der Einnahme Kabuls durch die Taliban im August 2021 monatelang bekannt waren und durch deutsche Behörden und Ministerien ignoriert oder verschleiert wurden. Die Folgen waren ein abrupter Abzug des deutschen Militärs aus Afghanistan und misslungene Evakuierungen von Ortskräften und besonders gefährdeten Personengruppen.
Dazu Johannes Rückerl von der Seebrücke: „Das Desaster von Kabul entstand nicht aus Unwissenheit, sondern aus politischer Feigheit, eiskaltem Kalkül und einem Komplettversagen der deutschen Politik. Die Ignoranz der Merkel-Regierung trieb tausende Ortskräfte in die Fänge der Taliban und damit in den sicheren Tod.“
„Das Versagen reicht von nicht weitergereichten Informationen und verschleppten Warnungen bis zur systematischen Verzögerung der Evakuierungen. Eine Politik des kalkulierten Desinteresses hat eine humanitäre Katastrophe verursacht, wie sie selten in der Geschichte zu finden ist. Deutsche Politiker*innen tragen Blut an ihren Händen und zur Belohnung werden sie in die denkbar höchsten Stellen des deutschen Staates befördert. Wir fordern eine umfassende juristische Aufarbeitung dieses Verbrechens und die sofortige Entlassung aller Verantwortlichen.“, so Maria Sonnek von der Seebrücke weiter.
Bis heute wurden 5.347 Menschen, davon 216 Ortskräfte, evakuiert. Offiziellen Zahlen nach warten weiterhin 12.000 Menschen auf eine Evakuierung, die tatsächliche Zahl wird um ein fünffaches höher geschätzt. Gleichzeitig verschlechtert sich die humanitäre Lage in Afghanistan im Akkordtempo.
„Seit über zwei Jahren fordern wir entschieden die Evakuierung aller besonders vulnerablen Menschen aus Afghanistan. Das Versagen hat die Ampel-Koalition geerbt und in beinahe merkelscher Manier weiter verwaltet und Wurzeln schlagen lassen. Ein versprochenes Aufnahmeprogramm für besonders schutzbedürftige Gruppen wurde monatelang verschleppt, um dann halbherzig und ohne Handlungsanweisungen umgesetzt zu werden. Die Folge: Bis heute sind lediglich 13 Personen in Deutschland angekommen. In welcher Welt entspricht das der deutschen Verantwortung? “, fragt Jan Behrends von der Seebrücke entsetzt.
Die Seebrücke organisierte im August 2021 europaweite Demonstrationen, die die Einrichtung einer Luftbrücke zur Evakuierung vulnerabler Menschen in Afghanistan forderten. Hunderttausende folgten dem Aufruf. Ab Frühjahr 2022 wurden weitere Aktionen veranstaltet, um das Versagen der deutschen und internationalen Politik zu thematisieren und die Forderung nach sofortiger Evakuierung zu bekräftigen.
Die Seebrücke ist eine breite zivilgesellschaftliche und antirassistische Bewegung, die sich für Seenotrettung, für sichere Fluchtwege und die dauerhafte Aufnahme von geflüchteten Menschen in Deutschland einsetzt.