21.06.2023 · News:Offener Brief von 180 Menschenrechtsorganisationen mit Alan Kurdi's Tante
Zusammen mit Tima Kurdi, der Tante von Alan Kurdi, und über 180 Menschenrechtsorganisationen und Initiativen haben wir einen offenen Brief veröffentlicht. Wir fordern heute am World Refugee Day eine vollständige und unabhängige Untersuchung des Schiffbruchs vor Pylos, klare Konsequenzen für die Verantwortlichen, ein Ende der systematischen Pushback-Praktiken an den europäischen Grenzen und Gerechtigkeit für die Opfer.
Bei dem Schiffbruch vor Pylos, bei dem bis zu 600 Menschen ertrunken sind, bleiben unzählige Fragen unbeantwortet. Nach Aussagen von Überlebenden schleppte die griechische Küstenwache das Boot ab und brachte es zum Kentern. Warum wurde dieses gefährliche Manöver überhaupt versucht? Hat die griechische Küstenwache das Boot in Richtung Italien geschleppt, um die Menschen in die italienische oder maltesische Verantwortung abzuschieben? Warum haben weder die griechische Küstenwache noch die italienischen oder maltesischen Behörden früher eingegriffen, obwohl sie mindestens 12 Stunden zuvor alarmiert worden waren? Welche Rolle hat Frontex gespielt?
Bei all diesen offenen Fragen bleibt eines deutlich: Dieser Schiffbruch ist - wie unzählige andere zuvor - die unmittelbare Folge politischer Entscheidungen, die Menschen daran hindern sollen, in Europa anzukommen. Bislang haben die EU und ihre Mitgliedstaaten keinerlei Absicht gezeigt, aus den vergangenen Jahren zu lernen und das Sterbenlassen im Mittelmeer zu beenden. Stattdessen verschärfen sie ihre tödliche Politik der Abschottung, beispielsweise durch die Aushöhlung des Asylsystems durch die GEAS-Reform.
Tima Kurdi, deren Neffe Alan Kurdi 2015 im Mittelmeer ertrank, sagt zu dem Schiffbruch vor Pylos: “Dieser Schiffbruch bringt meinen Schmerz zurück, unseren Schmerz.” Sie fordert: “Die europäische Migrationspolitik muss sich jetzt ändern. Sie hätte sich schon vor langer Zeit ändern müssen. Sie muss sichere Wege zur Flucht bieten. Der Bau einer Mauer ist keine Lösung. Das Festhalten von Rettungsschiffen ist keine Lösung. Menschen als Schmuggler zu beschuldigen, ist keine Lösung.”
Wir fordern ein sofortiges Ende der Grenzgewalt! Wir fordern:
1. dass die griechische als auch europäische Regierungen und Institutionen sicherstellen, dass lückenlose, gründliche und unabhängige Untersuchungen zum Schiffbruch vor Pylos durchgeführt werden.
2. dass die griechische Regierung die Überlebenden des Schiffbruchs von Pylos unverzüglich aus den (halb-)geschlossenen Einrichtungen entlässt und ihnen eine menschenwürdige Unterbringung und Unterstützung jeder Art gewährt, die sie benötigen.
3. alle europäischen Außengrenzstaaten auf, das Verzögern von Rettungen nicht als Waffe einzusetzen
4. die EU und ihre Mitgliedstaaten auf, sichere und legale Fluchtrouten nach Europa zu schaffen.
Wir stehen solidarisch an der Seite der Überlebenden und der Familien und der Freund*innen der Verstorbenen. Wir drücken unser tiefes Beileid und unsere Trauer aus.