04.03.2024 · Pressemitteilung:Entscheidung über Verfahren gegen Seenotretter*innen verschoben – Seebrücke fordert ein Ende jeder Kriminalisierung von solidarischen Menschen und Menschen auf der Flucht
Am Samstag den 02. März 2024 wurde die Entscheidung nach den Schlussplädoyers der Verteidigung über das Verfahren gegen die in Italien angeklagten Seenotretter*innen des Seenotrettungsschiffs Iuventa auf den 19. April vertagt. Nach sieben Jahren andauernden Vorverhandlungen hatte die Staatsanwaltschaft am vergangenen Mittwoch überraschend gefordert, die Anklage fallen zu lassen. Die Seebrücke fordert das sofortige Ende jeder Kriminalisierung von ziviler Seenotrettung und der Kriminalisierung von jeder anderen Solidarität mit Menschen auf der Flucht.
„Auch nach sieben Jahren gibt es noch immer keine Gerechtigkeit für die Seenotretter*innen der Iuventa. Dass sich die Vorverhandlung über sieben Jahre hingezogen hat, ist eine Unverschämtheit. Es ist ein Skandal, dass die Aktivist*innen noch immer nicht rechtssicher freigesprochen sind“, kritisiert Johannes Rückerl von der Seebrücke.
Im August 2017 wurde das Seenotrettungsschiff Iuventa der NGO Jugend Rettet im Hafen von Lampedusa von italienischen Behörden festgesetzt. Man warf der NGO vor, mit Schleppern zusammengearbeitet zu haben. Die Anklage wurde 2018 auf 24 Crewmitglieder ausgeweitet. Im Laufe des Prozesses kamen starke Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Zeugen auf. Die Verteidigung der angeklagten Seenotretter*innen warf den Behörden und dem italienischen Innenministerium politische Absichten und Einflussnahme vor.
„Das gesamte Verfahren ist eine farce und muss dringend aufgearbeitet werden. In einem Rechtsstaat darf so etwas nicht passieren!“, fordert Maria Sonnek von der Seebrücke und stellt klar: „Seenotrettung ist kein Verbrechen. Das internationale Recht ihr hier eindeutig und auch andere italienische Gerichte haben dies bereits zweifelsfrei bestätigt. Das Gericht muss dies auch hier anerkennen und die Aktivist*innen am 19. April endlich ein für alle mal freisprechen!“
Die Kriminalisierung der Iuventa-Crew sei jedoch kein Einzelfall: „Unter fadenscheinigen Vorwürfen werden solidarische Menschen in ganz Europa verfolgt und ihr humanitäres Engagement angegriffen. Wer Menschen vor dem Ertrinken rettet oder sie solidarisch mit Essen und Informationen unterstützt, darf nicht kriminalisiert werden“, so Sonnek scharf. „Dieses menschenverachtende, lebensgefährdende Handeln der europäischen Regierungen und Behörden muss endlich beendet werden!“
Beispiele gebe es zahlreich: Erst kürzlich wurden in Griechenland 16 Helfer*innen von fadenscheinigen Spionage-Vorwürfen freigesprochen und in Lettland führt ein Bezirksgericht ein Strafverfahren gegen die Menschenrechtsaktivistin Ieva Raubiško. Die Seebrücke wirft dabei auch der deutschen Bundesregierung vor, eine Kriminalisierung von humanitärem Engagement unter dem Vorwand der Schleuserbekämpfung voranzutreiben:
„Mit dem Rückführungsverbesserungsgesetz hat die Bundesregierung vor wenigen Tagen ermöglicht, dass Seenotrettung von unbegleiteten Minderjährigen sowie die Unterstützung Schutzsuchender an Land strafbar werden könnte“, erklärt Rückerl: „Die Rettung von Menschen in Not, vor allem von Kindern kann darf niemals in Frage gestellt werde. Die Bundesregierung muss hier umgehend umsteuern!“
Sonnek schließt: „Die wahren Verbrecher sind die Behörden und Regierungen Europas, die das Sterben im Mittelmeer weiterhin zulassen. Wir fordern ein Ende von Kriminalisierung von Flucht und Solidarität. Wir fordern unsere Bundesregierung auf, alle kriminalisierenden Punkte aus ihren Gesetzen zu streichen und endlich wirklich für die Rettung aus Seenot einzustehen!“
Die Seebrücke ist eine breite zivilgesellschaftliche und antirassistische Bewegung, die sich für Seenotrettung, für sichere Fluchtwege und die dauerhafte Aufnahme von geflüchteten Menschen in Deutschland einsetzt.