20.02.2023 · Pressemitteilung:Nach dem Erdbeben – Seebrücke kritisiert bürokratische Visavergabe an Betroffene
Zwei Wochen nach dem verheerenden Erdbeben in Kurdistan, Nordsyrien und der Türkei ist die humanitäre Lage in der vom Erdbeben zerstörten Region nach wie vor katastrophal. Internationale Hilfen laufen schleppend und können kaum in die syrischen Gebiete vordringen.
Bundesinnenminsterin Nancy Faeser versprach, dass Betroffenen mit Angehörigen in Deutschland eine unbürokratische Visavergabe sowie einen damit verbundenen Aufenthalt von drei Monaten gewährt würde.
Dazu Maria Sonnek von der Seebrücke: „Es scheint, als hätte die Bundesregierung die Voraussetzungen der Visavergabe mit Absicht so kompliziert gestaltet, nur um im Nachhineinsagen sagen zu können, dass sie ja helfen wollte, aber keine*r das Angebot angenommen hat. Wie sollen Papiere besorgt oder Nachweise erbracht werden, wenn all das verschüttet ist?"
„In Syrien gibt es keine deutsche Vertretung, bei der die benötigten Papiere beantragt werden können. Stattdessen sollen Menschen nach Istanbul dafür reisen. Wir fragen die Bundesregierung, was sie sich dabei denkt. Wie sollen Menschen ohne Papiere in ein anderes Land reisen, um Papiere für ein Visum nach Deutschland zu beantragen? Es ist unerträglich, dass die Bundesregierung die an Bürokratie kaum zu überbietende Visavergabe als große humanitäre Geste verkauft, während es in der Realität vielleicht eine Hand voll Menschen geben wird, die die Voraussetzungen überhaupt erfüllen kann.", ergänzt Leni Hintze von der Seebrücke.
Leni Hintze weiter: „Wir brauchen an die Realität der betroffenen Menschen angepasste unbürokratische Hilfe für alle. Und zwar wirklich für alle Menschen, nicht nur für die Menschen, die zufälligerweise Verwandte in Deutschland haben. Geflüchtete Menschen warten seit Jahren darauf, dass sie aus den türkischen, syrischen oder kurdischen Gebieten rauskommen."
„Die Mühlen der Bürokratie mahlen in Deutschland langsam. In der aktuellen Situation kostet genau das jeden Tag weitere Menschenleben! Wir fordern die Bundesregierung auf, eine umfassende, unbürokratische und zeitlich unbeschränkte Aufnahme der Betroffenen aus den Erdbebengebieten zu organisieren. Deutschland und die weiteren EU-Staaten müssen die Evakuierung Betroffener aus dem Krisengebiet schnell voranbringen und Menschenleben retten.", so Maria Sonnek nachdrücklich.
Die Seebrücke ist eine breite zivilgesellschaftliche und antirassistische Bewegung, die sich für die zivile Seenotrettung, für sichere Fluchtwege und für eine menschenwürdige Aufnahme und das Bleiberecht von geflüchteten Menschen in Deutschland und der Europäischen Union einsetzt.
Die Seebrücke organisiert Demonstration und Aktionen, um auf die Situation an den europäischen Außengrenzen aufmerksam zu machen und politische Veränderungen einzufordern.