17.10.2022 · Pressemitteilung:Bundesaufnahmeprogramm bleibt viel zu vage – echte Verantwortung sieht anders aus!

Heute gaben Bundesaußenministerin Baerbock und Bundesinnenministerin Faeser bekannt, dass ein Bundesaufnahmeprogramm für besonders schutzbedürftige Menschen aus Afghanistan auf dem Weg gebracht werde. Das Programm solle monatlich 1000 Afghan*innen und Familienangehörige nach Deutschland bringen.

Gleichzeitig leiden die Menschen in Afghanistan unter dem Terrorregime der Taliban. Erst letzte Woche wurde bekannt, dass Dutzende ehemalige Ortskräfte bereits getötet wurden. Darüber hinaus begeht die Taliban einen Genozid an den Hazara.

Die Seebrücke verurteilt die vagen Pläne und fordert die Bundesregierung auf, Verantwortung für ihre Taten und die zurückgebliebenen Menschen in Afghanistan zu übernehmen.

Philipp Kühnlein von der Seebrücke:

„Seit der Machtübernahme der Taliban hätte die Bundesregierung immer wieder die Möglichkeit gehabt, zu handeln und bedrohte Menschen aus Afghanistan schnell und unbürokratisch aufzunehmen. Stattdessen ist im letzten Jahr viel zu wenig passiert. Erst kürzlich wurde bekannt, dass nachweislich über 30 Menschen mit einer bestehenden Aufnahmezusage getötet wurden. Für diese Menschen kommt die jetzige Ankündigung des Bundesaufnahmeprogramms viel zu spät."

Die Seebrücke hat in den vergangenen Monaten immer wieder die schnelle und unbürokratisches Aufnahme von bedrohten Menschen aus Afghanistan, sowie transparente und humane Asylverfahren gefordert. Die blockierende Politik des Auswärtigen Amtes und insbesondere des Bundesinnenministeriums wurde dabei scharf kritisiert. Dass nun endlich ein Bundesaufnahmeprogramm umgesetzt werden soll, begrüßt die Seebrücke. Gleichzeitig sind nach den ersten Veröffentlichungen noch viele Fragen offen.

Dazu Mariella Hettich von der Seebrücke: 

„Ob der Ankündigung eines Aufnahmeprogramms nun tatsächlich zu einer schnellen und unbürokratischen Evakuierung von bedrohten Menschen führt, ist angesichts der zögerlichen und mutlosen Politik mehr als fraglich. Ein Weiter-So der desaströsen Vermeidungs- und Verzögerungspolitik ist zu befürchten. Den Umfang des zukünftigen Bundesaufnahmeprogramms an den bisherigen Aufnahmen zu orientieren und nicht am tatsächlichen Bedarf, verdeutlicht bereits vor dem Start, dass kaum substantielle Verbesserungen von dem Bundesaufnahmeprogramm zu erwarten sind."

Bereits nach dem Fall Kabuls wurde die Verantwortung zur Evakuierung und Auswahl der besonders schutzbedürftigen Menschen an zivilgesellschaftliche Akteur*innen wie die Kabul Luftbrücke, Ärzte ohne Grenzen oder die Seebrücke abgeben. Damit überträgt die Bundesregierung der Zivilgesellschaft eine eigentlich staatliche Aufgabe und zieht sich geschickt aus der Affäre. Den zivilgesellschaflichen Akteur*innen nun zu danken, ist an Zynismus nicht zu überbieten.

 „Die Bundesregierung muss endlich mit größtmöglicher Aufmerksamkeit auf die katastrophale Lage der Menschen in Afghanistan reagieren! Abertausende von verfolgten Menschen warten auf eine Evakuierung und ein Leben in Sicherheit. Statt unklaren Ankündigungen und Verzögerungsspielchen muss eine schnelle, transparente und unkomplizierte Evakuierung aller bedrohten Menschen in Afghanistan ohne festgesetzte Obergrenzen passieren! Wir fordern von der Bundesregierung, neue Aufnahmekapazitäten zu schaffen und den Menschen aus Afghanistan eine eigenständige, bedürfnisorientierte und dezentrale Unterbringung in den über 300 aufnahmebereiten Kommunen in Deutschland zu ermöglichen!", so Jan Behrends von der Seebrücke nachdrücklich.

Die Seebrücke ist eine breite zivilgesellschaftliche und antirassistische Bewegung, die sich für die zivile Seenotrettung, für sichere Fluchtwege und für die dauerhafte Aufnahme von geflüchteten Menschen in Deutschland einsetzt. Mitte August war die Seebrücke gemeinsam mit unterschiedlichen afghanischen Organisationen und Initiativen an einer bundesweiten Großdemonstration mit anschließendem Protestcamp beteiligt. Dabei wurde unter dem Slogan „Don´t forget Afghanistan" u.a. die sofortige Umsetzung eines Bundesaufnahmeprogramms für bedrohte Menschen aus Afghanistan gefordert.